Unsicheres Denken und Unsicherheit ist ein Ur-Reflex
Unsicherheit und Zweifel sind weit verbreitete menschliche Erfahrungen. Sie können in vielen Lebensbereichen auftauchen, sei es im Beruf, in zwischenmenschlichen Beziehungen oder bei persönlichen Entscheidungen. Ein tieferes Verständnis darüber, wie unsicheres Denken entsteht und welche Rolle der uralte Reflex von Angriff, Flucht oder Totstellen dabei spielt, kann uns helfen, besser mit diesen Gefühlen umzugehen.
Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl haben nichts damit zu tun, dass wir uns immer sicher und gut fühlen, sondern dass wir auch dann damit umgehen können, wenn wir mal Angst haben oder es sich mal nicht gut anfühlt. Zweifel, Probleme und Widerstände wachsen nach und kommen immer wieder auf uns zu. Packen wir es an und lernen, positiv damit umzugehen.
Unsicherheit in Selbstsicherheit verwandeln bedeutet:
Sie…
… können Grenzen setzen, sich schützen und je nachdem was nötig ist, ja oder nein sagen.
… sind gut zu sich und ebenso nachsichtig, wie Sie es mit anderen sind. Auch wenn Sie Fehler machen oder sich mal unpassend benehmen, halten Sie zu sich.
… probieren Neues aus und die dadurch gemachten Erfahrungen helfen Ihnen immer mutiger zu werden. Probleme werden Gelegenheiten und Ihr Umgang damit macht Sie am Ende stolz auf sich selbst.
… bleiben standhaft und halten zu sich selbst. Wenn andere Ihre Ansichten nicht teilen, dann lassen Sie ihnen die Meinung, ohne sich oder die anderen zu bewerten.
… schützen sich, nutzen Kritik für Ihr Wachstum und können unterscheiden zwischen berechtigter konstruktiver Kritik und unberechtigter Kritik.
… sabotieren sich nicht länger selbst.
Besonders in schweren Zeiten ist es wichtig, auch unsere Zweifel und unser unsicheres Denken zuzulassen, denn sonst fallen wir in automatisiertes altes Verhalten und ungünstige Handlungsmuster zurück. Es gibt dann automatisch immer mehr desselben, was wir nicht möchten.
Unsicherheit überwinden
Wie entsteht unsicheres Denken? Unsicheres Denken entsteht oft durch eine Kombination aus persönlichen Erfahrungen, Erziehung, gesellschaftlichen Einflüssen und biologischen Faktoren.
Hauptursachen für Unsicherheit
1. Frühe Erfahrungen
Erfahrungen in der Kindheit und Jugend prägen unser Selbstbild und unser Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Kritische oder aber übermäßig beschützende Eltern können dazu führen, dass Kinder an sich selbst zweifeln und unsicher werden. Wenn wir als Kind den Umgang mit Problemen oder das Vertrauen in uns selbst nicht lernen konnten, müssen wir es manchmal mühsam lernen, uns nun selbst nachträglich gute Eltern zu sein und uns beschützen. Wir können uns ermutigen und unseren eigenen Weg gehen. Auch wenn wir mal nicht wissen, was hinter der Kurve kommt, gehen wir Schritt für Schritt.
Oft sind wir Jahrzehnte in einem automatisiertem Dialog mit unserem inneren Kritiker und seiner Stimme. Wenn wir uns das klar machen, können wir die negativen Stimmen in unterstützenden Zuspruch umwandeln, uns gut zureden, statt uns, wie so oft in schwierigen Zeiten, auch noch selbst auszuschimpfen.
Es ist nie zu spät, eine unglückliche Kindheit auszugleichen. Es geht vielen Menschen so, Sie sind nicht allein. Fangen Sie jetzt an. Sie müssen sich nicht länger von den Geistern der Vergangenheit beeindrucken lassen. Sie haben Persönlichkeit, die mitfühlendes, motivierendendes und unterstützendes Verhalten braucht.
2. Gesellschaftliche Einflüsse
Gesellschaftliche Normen und Erwartungen können erheblichen Druck erzeugen. Medien und soziale Netzwerke verstärken oft unrealistische Standards, was dazu führen kann, dass Menschen sich unsicher fühlen und an ihren Fähigkeiten zweifeln. Wenn Menschen sich übermäßig Sorgen darüber machen, was andere von ihnen denken, spricht man auch von sozialer Angst.
Was denken andere über mich?
Wenn Sie sich Sorgen machen, was andere über Sie denken, ist das sicher belastend. Vielleicht hilft es Ihnen, dass es meist einfach ein Denkfehler ist. Wir alle projizieren eigene Unsicherheiten und Erwartungen auf andere. Wir fürchten, jemand könnte uns negativ bewerten oder ablehnen. Dabei bewerten wir genau dann eigentlich uns selbst – und die andere Person gleich mit.
Wir haben eine Idee und Meinung und glauben, die oder der andere hat sie gewiss auch. Dabei ist das eine Erwartungshaltung, die, auch wenn sie nicht stimmt, vom Gegenüber erstaunlicherweise manchmal erfüllt wird. Die Erwartung ist also nicht immer die Realität. Sie kann falsch sein, wird aber manchmal doch im Verhalten aller Beteiligten sichtbar. Haben Sie also eine bestimmte Erwartung darüber, was andere von Ihnen erwarten oder denken – verhalten auch Sie sich dementsprechend.
Beispiel:
Sie glauben, Sie machen Ihren Job nicht gut genug.
Ihr Chef hat montags immer schlechte Laune. Wenn Sie unsicher sind und glauben, Ihr Chef ist unzufrieden mit Ihnen und Ihrer Arbeit, dann projizieren Sie Ihre Unsicherheit vielleicht auch auf ihn. Schon bevor Sie ins Büro kommen, denken Sie daran. Das sensibilisiert vielleicht unbewusst Ihren Chef und er verhält sich, wie Sie vorausgesagt haben. Sie bekommen seine schlechte Laune, Kritik und Unzufriedenheit.
Sie sammeln Beweise für Ihre Theorie und nähren Ihre Unsicherheit.
Kennen Sie solche und ähnliche Selbstgespräche? Er schaut komisch… Er hat so einen unfreundlichen Ton…Er hat mag mich nicht…bestimmt wollte er es anders…es ist nicht gut genug…er hält mich für inkompetent…
Sie haben immer mehr das Gefühl, Sie machen Ihre Arbeit nicht gut. Eine Abwärtsspirale in den Keller der Unsicherheit. Idee: Vielleicht hat Ihr Chef montags immer viel zu tun, schlechte Laune oder sonst irgendetwas – was mit Ihnen gar nichts zu tun hat. Vielleicht hat er gerade ein privates Problem, was länger dauert und er dadurch eine schwere Zeit durchmacht. Vielleicht hat er, wie jeder Mensch, auch Sorgen und Ängste.
Doch weil Sie grad da sind – entlädt sich seine „Befindlichkeit“ an Ihnen. Sie haben sich ja im Grunde in Erwartung ( Ihre Theorie der Unsicherheit) zur Verfügung gestellt ;-). Das bedeutet nicht, Sie sind „selbst Schuld“ – sondern ich möchte Sie ermutigen: Fühlen Sie sich nicht für die Gefühle und Befindlichkeiten anderer (auch nicht die Ihres Chefs) verantwortlich!
Zugegeben, das Beispiel ist einfach und kurz – doch Sie verstehen sicher, was ich meine und haben viele eigene Beispiele aus Ihrem Leben mit Freunden und Familie, die sich anwenden lassen.
Im Nachhinein ist es oft gar nicht so wie zuvor gedacht
Und was immer hilft: wir können es eh´nicht jedem recht machen – fangen wir mit unseren Bedürfnissen an. Dann sind wir gut gestimmt und können mit den Querschlägern im Alltag besser umgehen.
3. Persönliche Erlebnisse
Negative Erfahrungen wie Misserfolge, Ablehnung oder Kritik können das Selbstvertrauen erschüttern und unsicheres Denken fördern. Manchmal sind es kleine Situationen im Alltag, in denen wir in alte Zeiten zurückgeworfen werden. Wir fühlen uns wieder wie ein Kind, dass ungerecht behandelt wird oder wir sehnen uns nach Anerkennung und Aufmerksamkeit. Wenn wir immer nach dem gleichen Prinzip, mit den „üblichen Reaktionen“ unsere Probleme lösen – kommt auch immer das gleiche dabei heraus.
- Wir haben Streit und kämpfen.
- Wir ziehen uns aus der Affäre und hauen einfach ab.
- Wir ignorieren alles und erstarren.
Angriff, Flucht oder Totstellen
Der Ur-Reflex von Angriff, Flucht oder Totstellen, auch bekannt als Kampf- oder Flucht-Reaktion, ist eine biologische Reaktion auf Bedrohungen, die in den tiefen Strukturen unseres Gehirns verankert ist. Diese Reaktion diente ursprünglich dem Überleben, indem sie den Körper auf schnelle Reaktionen in gefährlichen Situationen vorbereitete.
Die biologische Reaktion auf Stress oder Probleme
Angriff:
Im Angriffsmodus wird der Körper auf eine konfrontative Reaktion vorbereitet. Adrenalin wird ausgeschüttet, die Muskeln spannen sich an und die Sinne werden geschärft. Diese Reaktion kann bei unsicherem Denken dazu führen, dass Menschen defensiv oder aggressiv reagieren, um ihre Unsicherheit zu verbergen.
Flucht:
Die Fluchtreaktion bereitet den Körper darauf vor, schnell zu entkommen. Herzschlag und Atemfrequenz erhöhen sich, um mehr Sauerstoff zu den Muskeln zu transportieren. Bei Unsicherheit kann dies dazu führen, dass Menschen Situationen vermeiden, die sie als bedrohlich empfinden.
Totstellen:
Diese Reaktion tritt ein, wenn weder Kampf noch Flucht als Optionen erscheinen. Der Körper schaltet auf Sparflamme und reagiert nicht mehr aktiv. Bei unsicherem Denken kann dies dazu führen, dass Menschen in Passivität verfallen und handlungsunfähig werden.
Unsere Erfahrung und unser „Ur-Instinkt“ verstellen uns manchmal auch den neuen Weg, einmal anders, kreativer und offener mit der aktuellen Situation umzugehen. Wir sind im Tunnel und es ist kein Licht am Ende in Sicht.
Wenn wir immer weitermachen wie bisher und die Lösungen der Vergangenheit immer wieder bemühen, bleiben die Möglichkeiten zum Glücklichsein im Schatten unserer eigenen Lebensgeschichte. Schreiben wir doch neue Geschichten und verlassen die Autobahn der Automatismen, um von „immer mehr desselben“ endlich zu einem neuen, besser zu unseren Wünschen passenden Leben zu gelangen. Ihre Anleitung zum glücklich sein ist, aus der Höhle zu kommen und sich den eigenen Sehnsüchten und Träumen zuzuwenden.
Unsicherheit und der Ur-Reflex im modernen Leben
Obwohl die Kampf-oder-Flucht-Reaktion in unserer modernen Gesellschaft selten physische Bedrohungen betrifft, reagieren wir oft auf psychosoziale Stressoren auf ähnliche Weise. Unsicherheit und Zweifel können als Bedrohung für unser Selbstbild und unser emotionales Wohlbefinden empfunden werden, was den Ur-Reflex aktiviert.
Unsicherheit am Arbeitsplatz: In einer Arbeitsumgebung kann unsicheres Denken durch hohen Leistungsdruck, Konkurrenz oder Angst vor Versagen ausgelöst werden. Dies kann dazu führen, dass Menschen defensiv (Angriff), vermeidend (Flucht) oder passiv (Totstellen) reagieren.
Zwischenmenschliche Beziehungen: In Beziehungen kann Unsicherheit durch Angst vor Ablehnung oder Konflikten entstehen. Hier können Menschen ebenfalls mit Angriff, Flucht oder Totstellen reagieren, was die Beziehungen weiter belasten kann.
Persönliche Herausforderungen: Bei persönlichen Herausforderungen wie neuen Projekten oder Veränderungen im Leben kann Unsicherheit den Ur-Reflex auslösen. Dies kann dazu führen, dass Menschen sich entweder zu sehr unter Druck setzen (Angriff), Projekte aufschieben (Flucht) oder komplett stagnieren (Totstellen).
Es betrifft viele Bereiche wie „Unsicherheit im Job“, „zwischenmenschliche Beziehungen und Unsicherheit“ oder „Umgang mit persönlichen Herausforderungen“.
Kognitive Verzerrungen
Denken ist oft von kognitiven Verzerrungen geprägt, wie z.B. dem Schwarz-Weiß-Denken oder der Tendenz, negative Ereignisse überzubewerten. Diese Verzerrungen können zu Unsicherheit und Selbstzweifeln beitragen. Auch glauben wir „Gedankenlesen“ zu können. Wir projizieren unsere Angst und Unsicherheit auf andere, von denen wir glauben, sie würden uns negativ bewerten. Doch selbst wenn andere uns in eine „Schublade“ stecken – können wir ja wieder herausklettern. Unser unsicheres Denken zu überwinden hilft dabei, selbstbewusster und klarer zu handeln.
Strategien zur Überwindung von Unsicherheit
Selbstbewusstsein stärken: Selbstbewusstsein ist der Schlüssel zur Überwindung von Unsicherheit. Dies kann durch Selbstreflexion, das Setzen realistischer Ziele und positive Selbstgespräche erreicht werden. Wenn wir uns selbst gut kennen und wissen, wie wir „ticken“ – dann gibt es keine Geheimnisse oder negative Eigenschaften, die wir zu verbergen versuchen. Sie sind Teil von uns und machen uns auch liebenswert. Kein Mensch ist perfekt und wir alle kennen die Erleichterung, wenn jemand mal genauso schusselig war wie wir selbst.
Stille, Ruhe & Auszeit: Zeit für uns allein kann helfen, den Geist zu beruhigen und den Körper zu entspannen, was auch die Kampf-oder-Flucht-Reaktion mildern kann. Regelmäßige Auszeiten können das Selbstbewusstsein stärken und die emotionale Resilienz erhöhen.
Konfrontation statt Vermeidung: Anstatt unsichere Situationen zu vermeiden, sollten wir uns ihnen stellen. Dies erfordert Mut, kann aber durch kleine Schritte und Unterstützung durch Familie, Freunde, Therapeuten oder einen Coach erleichtert werden.
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): KVT kann helfen, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Durch strukturierte Techniken lernen Menschen, ihre Unsicherheit zu hinterfragen und positive, realistische Gedanken zu entwickeln. Man kann das Selbstbewusstsein stärken.
Soziale Unterstützung: Ein starkes soziales Netzwerk kann erheblich dazu beitragen, Unsicherheit zu überwinden. Freunde, Familie und Unterstützungsgruppen bieten emotionale Unterstützung und Ermutigung. Wir müssen nicht immer alles allein schaffen. Wenn wir Unterstützung anderer spüren, ist das heilsam und hilft auf dem manchmal schweren Weg. Auch wenn wir ihn alleine gehen müssen, ist es doch schön, immer mal jemanden an der Seite zu haben.
Das gibt uns Halt und Zuversicht.
Unsicheres Denken und der Ur-Reflex von Angriff, Flucht oder Totstellen sind tief in unserer Biologie verankert und beeinflussen unser Verhalten und unsere Emotionen in vielen Lebensbereichen. Indem wir die Ursachen von Unsicherheit verstehen und Strategien zur Bewältigung entwickeln, können wir lernen, diese natürlichen Reaktionen zu kontrollieren und ein selbstbewussteres, erfüllteres Leben zu führen.
Es erfordert Übung und Geduld, aber die Entwicklung eines positiven Selbstbildes und die Überwindung von Unsicherheit sind erreichbar.
Denken Sie daran, dass es in Ordnung ist, Hilfe zu suchen und dass jeder Schritt, den Sie machen, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wenn Sie Unterstützung bei der Bewältigung von Unsicherheit benötigen – dann beginnen Sie Ihre Reise zu einem stärkeren, selbstbewussteren Ich.