Starke Gefühle überprüfen: Ein Weg zu emotionaler Klarheit und Respekt im Umgang mit sich und anderen
Es gibt viele verschiedene Alltagssituationen, die starke Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Angst auslösen können – hier ein paar Beispiele:
Starke Gefühle: Missverständnisse in der Partnerschaft
Oft kommt es zu Konflikten, wenn Worte oder Handlungen des Partners falsch interpretiert werden. Gefühle wie Enttäuschung oder Wut entstehen schnell, weil man sich angegriffen fühlt, obwohl die Absicht des anderen nicht verletzend war.
Kritik am Arbeitsplatz führen zu starken Gefühlen
Wenn wir Kritik von Vorgesetzten oder Kollegen erhalten, fühlen wir uns oft angegriffen oder unzureichend. Die erste Reaktion ist häufig Wut oder Frustration anstatt die Kritik als Chance zur Verbesserung zu sehen.
Überforderung im Familienalltag
Eltern sind oft gestresst, wenn der Alltag hektisch wird. Wenn Kinder dann nicht gehorchen oder zusätzliche Anforderungen stellen, reagieren sie oft mit Wut oder Erschöpfung.
Ungerechtigkeit im Freundeskreis bringen starke Gefühle zum Vorschein
Wenn man das Gefühl hat, im Freundeskreis unfair behandelt zu werden, kann das tiefe Traurigkeit oder Wut auslösen. Oft entstehen diese Gefühle aus der Annahme, dass man nicht genug geschätzt wird. Es wäre hilfreich, dann ins Gespräch zu kommen und die Gefühle neu zu bewerten.
Ein Beispiel für starke Emotionen in einer Freundschaft:
Karin hatte das Gefühl, sie sei nicht wichtig für Ihre Freundin Karla. Der Grund, warum sie zu der Annahme kam, war, dass Karin immer freitags nach der Arbeit einen Absacker in einer angesagten Bar trinken wollte und danach am liebsten direkt weiter auf die „Piste“ – wie sie die Kneipentour in ihrer Stadt nannte. Sie war der Meinung, so das Wochenende mit der besten Freundin einzuläuten, hätten sie beide verdient und das wäre einfach schön.
Karla war eher introvertiert und sie brauchte grundsätzlich einfach viel mehr Zeit für sich allein. Für sie war der Freitagabend ein Zeitpunkt, um allein zu sein und in Ruhe und Stille in der Badewanne zu liegen und um danach dann im kuschligen Schlafzeug aufs Sofa zu ihrer Lieblingsserie zu plumpsen.
Karin ist ein sehr geselliger Mensch und weil Karla so selten mit auf die „Piste“ wollte, fühlte sie ein starkes Gefühl der Ablehnung. Später konnte Karin feststellen, dass ihr Gefühl aus der Kindheit stammte. Sie hatte einen Vater, der sich nie für sie interessiert hat.
Diese alte Erfahrung löste immer dann sehr starke Gefühle des Abgelehntwerdens in Karin aus, wenn jemand mal keine Zeit für sie hatte. Diese Art der Neubewertung und der Nachfrage war für beide sehr hilfreich und entlastend. Karla konnte ihr nachvollziehbar erklären, dass es nichts mit Karin, sondern mit Karla selbst zu tun hatte, wenn sie nicht mitgehen wollte.
Soziale Medien lösen starke Gefühle wie Selbstzweifel aus
Das Vergleichen mit anderen in sozialen Medien führt schnell zu Minderwertigkeitsgefühlen und Traurigkeit. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, kann aufkommen, wenn man die eigenen Erfolge oder das eigene Leben herabwertet.
Warum ist es wichtig, die eigenen Gefühle zu erkennen?
Gefühle sind oft unsere erste Reaktion auf eine Situation, aber sie sind nicht immer der beste Ratgeber. Wenn wir unsere Emotionen bewusst wahrnehmen und ihnen einen Namen geben, gewinnen wir Kontrolle über unsere Reaktionen. Durch eine Neubewertung der Situation – indem wir sie aus einer anderen Perspektive betrachten – können wir oft erkennen, dass unsere ursprüngliche Interpretation übertrieben oder unrealistisch war.
Dies gibt uns die Möglichkeit, Gefühle wie Wut oder Traurigkeit abzuschwächen und ihnen weniger Wichtigkeit zu geben, was uns hilft, ruhiger und ausgeglichener zu reagieren.
Es ist wichtig, dass wir uns damit konfrontieren, dass die befürchteten Konsequenzen oft ausbleiben. Dadurch lernen wir, dass unsere Interpretation in vielen Situationen zu sehr an vergangene Erfahrungen und Erlebnisse geknüpft ist.
Wir sind selbst verantwortlich und bestimmen über unser Erleben. Eine Freiheit, die uns oft nicht bewusst ist, weil wir meinen, andere würden für unsere Gefühle verantwortlich sein. Jede(r) kennt: „Die macht mich wütend“, “ Der macht mich traurig“ oder „Das hat mir die Freude verdorben“. Wir sind immer wieder selbst in der Verantwortung, unsere Gefühle neu zu bewerten.
Starke Gefühle schüren immer wieder Konflikte
Ein Mann kommt ins Coaching, weil ein Streit eskaliert ist. Er hat Probleme, seine Gefühle überhaupt wahrzunehmen. Er ist verzweifelt und kann es, wie er sagt, „kaum aushalten“. Seit langer Zeit hat er das Gefühl, dass er ständig in Konflikte gerät, weil er nicht weiß, wie er seine Emotionen richtig steuern kann. Es fällt über ihn her wie ein Sturm, sagt er. Gleichzeitig empfindet er wenig Empathie für die Gefühle anderer, da er oft das Gefühl hat, sich selbst nicht zu verstehen. Er wird oft als ruppig und unsensibel wahrgenommen. Er meint: „Die müssen sich nicht so anstellen, so bin ich nun mal“.
Dieser Mann steht nicht alleine mit seinem Problem. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu identifizieren und zu regulieren. Doch es gibt einen klaren Weg, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen: die Technik der Überprüfung innerer Bewertungsprozesse. In meinem Coaching haben wir genau diese Methode genutzt, um ihm zu helfen, wieder Klarheit zu finden und nicht nur seine eigenen Gefühle, sondern auch die anderer Menschen zu respektieren.
Im Folgenden erläutere ich Schritt für Schritt den Prozess, den wir gemeinsam durchliefen, um zu emotionaler Klarheit zu gelangen.
Gefühle erkennen und benennen
Der erste Schritt im Coachingprozess war, dass er lernte, seine Gefühle überhaupt wahrzunehmen und zu benennen. Oft sind wir so in unseren Gedanken gefangen, dass wir gar nicht merken, wie uns bestimmte Emotionen beeinflussen. Für meinen Klienten war dies eine Herausforderung. Seine Emotionen fühlten sich diffus und schwer greifbar an.
Es war wichtig, dass er einen Moment innehielt und auf sein Inneres hörte. „Was fühle ich gerade?“ – das war die zentrale Frage, mit der er sich vertraut machte. Im Laufe der Zeit wurde er besser darin, seine Emotionen klarer zu erkennen. Er bemerkte, wie oft Angst unter der Wut verborgen war. Oder wie Machtlosigkeit ihn traurig machte. Angst, Wut, Trauer – all diese Emotionen bekamen nach und nach Namen.
Starke Gefühle: Was ist als erstes davor passiert?
Emotionen entstehen oft durch eine Bewertung der Situation, in der wir uns befinden. In unserem Coaching erkannte der Klient, dass seine Wut nicht einfach so auftauchte. Sie war das Ergebnis einer bestimmten Denkweise oder eines Urteils über das Verhalten anderer Menschen. „Warum reagiert mein Partner so?“ oder „Warum passiert das immer mir?“ waren typische Gedanken, die seine Emotionen verstärkten. Gemeinsam untersuchten wir, welche Bewertungen hinter seinen Emotionen steckten.
Was war der Auslöser für die starken Gefühle?
Sobald klar war, welche Bewertungen eine Rolle spielten, ging es darum, die konkreten Situationen zu identifizieren, die diese Bewertungen auslösten. Ein Streit mit dem Partner, Missverständnisse auf der Arbeit oder auch alte Verletzungen aus der Kindheit – all diese Erfahrungen trugen dazu bei, dass bestimmte Gefühle immer wieder hochkamen. Es war für ihn ein Aha-Erlebnis, dass viele seiner Emotionen nicht auf der aktuellen Situation basierten, sondern durch frühere Erfahrungen verstärkt wurden.
Was mache ich mit meinem starken Gefühl?
Nachdem die Emotion, die auslösende Bewertung und die Situation klar identifiziert wurden, ging es darum, die Handlungstendenzen zu erkennen. Gefühle treiben uns oft zu unüberlegten Reaktionen – in seinem Fall zu Wutanfällen oder Rückzug. Wir arbeiteten daran, diese automatischen Reaktionen zu unterbrechen. „Was sagt mir mein Gefühl?“ war eine zentrale Frage, die er sich stellte. Er lernte, nicht sofort zu handeln, sondern innezuhalten und seine Emotion zu reflektieren, bevor er reagierte.
Wie realistisch sind meine starken Gefühle?
Im nächsten Schritt prüften wir, wie realistisch seine Bewertungen waren. Oft interpretieren wir das Verhalten anderer auf eine Weise, die unsere negativen Gefühle verstärkt. Für meinen Klienten war dies besonders wichtig. Er stellte fest, dass er oft vorschnell Urteile fällte – dass sein Partner oder seine Kollegen ihn absichtlich verletzen wollten, dass er immer derjenige war, der missverstanden wurde. Doch in vielen Fällen waren diese Interpretationen nicht stimmig. Gemeinsam hinterfragten wir seine Denkweise und er lernte, seine Bewertungen auf den Prüfstand zu stellen.
Falls das starke Gefühl angemessen und realistisch ist:
Es gab natürlich auch Situationen, in denen seine Interpretation der Realität entsprach. Menschen handeln manchmal unsensibel oder verletzend. Oder wir erfahren, dass wir tatsächlich abgelehnt werden. In diesen Fällen war es wichtig, dass er sich erlaubte, seine Gefühle als angemessen zu akzeptieren und auf gesunde Weise damit umzugehen. Wenn wir zu Recht traurig sind, dann braucht die gefühlte Trauer auch einen Raum.
Ein pauschales „Sei nicht traurig“ hilft da nicht weiter. Wir brauchen Selbstmitgefühl. Sich sich selbst mitfühlend zuzuwenden, war ihm zunächst fremd. Doch er übte es, sich nicht zu verurteilen und sich selbst gutzutun, wenn er im wilden Alltag feststeckte.
Wir arbeiteten daran, dass er lernte, seine Emotionen zu erkennen, anzunehmen und dann zu kommunizieren, ohne in Vorwürfe zu verfallen. Das bedeutete, klar seine Bedürfnisse und Gefühle zu äußern und Grenzen zu setzen.
Falls die Interpretation unrealistisch ist:
Wenn seine Interpretation jedoch nicht der Realität entsprach – was häufig der Fall war –, half es ihm, alternative Sichtweisen zu entwickeln. Statt anzunehmen, dass sein Partner ihn absichtlich verletzte, lernte er, die Situation aus der Perspektive des anderen zu betrachten. Dadurch konnte er nicht nur seine eigenen Gefühle besser regulieren, sondern auch die Gefühle anderer respektieren.
Radikale Akzeptanz: Die starken Gefühle zulassen
Manchmal gibt es jedoch Emotionen, die sich trotz aller Anstrengungen nicht einfach auflösen lassen. In solchen Fällen nutzten wir die Technik der radikalen Akzeptanz. Diese Methode hilft dabei, unangenehme Gefühle nicht zu unterdrücken oder wegzuschieben, sondern sie bewusst zuzulassen.
Es geht darum, die Emotionen wie eine Welle kommen zu lassen, sie zu spüren, ohne sofort auf sie zu reagieren. Diese Technik ermöglichte es ihm, seine unangenehmen Gefühle wie Wut oder Angst anzuerkennen und ihnen Raum zu geben. Er stellte fest, dass diese starken Gefühle zwar intensiv, aber aushaltbar und überwindbar waren. Sie kamen, nahmen Besitz von ihm und verschwanden schließlich wieder. Durch diese Akzeptanz gewann er eine neue Form der inneren Ruhe.
Der Weg zur emotionalen Klarheit und zum Respekt für sich und andere
Durch die kontinuierliche Überprüfung seiner inneren Bewertungsprozesse fand der Klient schrittweise zu mehr emotionaler Klarheit. Er lernte, seine Emotionen zu benennen, die zugrunde liegenden Bewertungen zu hinterfragen und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Er lernte, dass unsere starken Gefühle eine Art Navi im Alltag sind, die uns in schwierigen Situationen weiterhelfen können. Statt sich selbst als schwach oder negativ zu bewerten, konnte er seinen Gefühlen offener begegnen.
Diese Technik half ihm nicht nur, seine eigenen Gefühle besser zu regulieren, sondern auch die Emotionen seiner Mitmenschen zu erkennen und zu respektieren. Er wurde mitfühlender mit den Menschen in seinem Umfeld, auch wenn er selbst manchmal die „Animositäten“ anderer, wie er es nannte, nicht nachvollziehen konnte.
Anstatt impulsiv zu reagieren, hielt er inne, reflektierte und fand so zu einem Zustand, in dem er Konflikte auf eine konstruktive Weise lösen konnte. Das sparte enorm Kraft. Er war ausgeglichener, konnte wieder besser schlafen und sein Bluthochdruck begann zu sinken.
Der Mann hat durch seine früheren Lernerfahrungen ein Verhalten entwickelt, das stark von emotionalen Reaktionen geprägt ist, ohne dass er seine Gefühle bewusst wahrnimmt oder steuern kann. Seine Vergangenheit war von wiederkehrenden Konflikten bestimmt, bei denen er das Gefühl hatte, ständig missverstanden oder unfair behandelt zu werden. Diese Erfahrungen führten dazu, dass er Wut und Frustration aufbaute, insbesondere in Situationen, in denen er sich emotional angegriffen fühlte.
Alte Erfahrungen lösen starke Gefühle aus
Frühere Erfahrungen prägten seine Reaktionsmuster. Er hatte gelernt, sich in stressigen oder emotional belastenden Momenten zu verteidigen, indem er auf Wut oder Rückzug zurückgriff. Ihm wurde als Kind und in seiner Jugend beigebracht, dass Schwäche nicht gezeigt werden sollte. Er kannte keine Wege , um emotionale Bedürfnisse zu äußern. Dies führte dazu, dass er seine Gefühle oft verdrängte und sich stattdessen in impulsive Reaktionen flüchtete, wenn er sich bedroht oder verletzt fühlte.
Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen ihm als Mensch und seinem Verhalten. Er als Person ist immer in Ordnung, unabhängig von den Reaktionsmustern, die er gelernt hat. Sein Verhalten hingegen, besonders wenn es impulsiv oder schädlich ist, kann überprüft und verändert werden.
Im Coaching lernte er, seine emotionalen Reaktionen nicht als Teil seiner Persönlichkeit zu sehen, sondern als erlernte Muster, die sich ändern lassen. Indem er seine Gefühle bewusster wahrnahm, hinterfragte und neu bewertete, konnte er beginnen, diese alten Muster zu durchbrechen. Er entwickelte neue, gesündere Wege im Umgang mit Emotionen und Konflikten.
Diese Trennung von Person und Verhalten war die wichtigste Erkenntnis. Sie ermöglichte ihm, mit Abstand auf sich und andere zu schauen. Er konnte Mitgefühl für sich selbst entwickeln, während er gleichzeitig an seiner Fähigkeit arbeitete, emotional intelligenter und passender zu reagieren. Das gab ihm Gelassenheit.
„Brille ab und vor die Tür“ – um sich mit dem Gegenüber zu „prügeln“ – war seine jahrelange Devise im übertragenen Sinne. Das muss er nun nicht mehr.
„Ich muss nicht immer alles sofort verstehen oder direkt reagieren. Zwischen Reiz und meiner Reaktion liegt ein kleiner Raum. Der ist klein und oft eng, aber ich hab ihn entdeckt“, lacht er später in einem Transfertelefonat.
Die Technik der Überprüfung innerer Bewertungsprozesse ist eine effektive Methode, um emotionales Chaos zu klären und zu einem bewussteren und respektvolleren Umgang mit sich selbst und anderen zu finden.
Wenn auch Sie Ihre Gefühle besser als einen guten Freund verstehen wollen und der eigenen Wahrnehmung mehr vertrauen wollen, statt immer auf sich draufzuhauen – dann rufen Sie mich an. Das Erstgespräch kostet nichts und ich bin sicher, es wird Ihnen sofort weiterhelfen.